Eisen für die nächsten 400 Jahre
Im australischen Newman liegt die grösste Eisenerzmine der Welt. Ihren Namen hat die Mine vom Mount Whaleback, dem Wahlfischberg. Der heisst so, weil sein Rücken einmal demjenigen des grössten Säugetieres ähnlich sah.
Vom Berg ist allerdings nichts übriggeblieben. Wo er sich einst 800 Meter hoch erhob, klafft nun ein Loch, das bis 135 Meter unter den Meeresspiegel reicht. Was dazwischen lag, präziser: 60 Prozent davon, fährt heute auf Europas Strassen, kreuzt für Chinas Marine auf den Meeren, liegt als Büchse herum in den Vereinigten Staaten oder steht als Lagerhalle auf Australiens Boden.
Der Mount Whaleback bestand zu mehr als der Hälfte aus Eisenerz. Und ringsherum um die Minenstadt Newman liegt weiteres Eisenerz in solchen Mengen, dass die Bergbaugesellschaft BHP Billiton weitere 400 Jahre lang davon abbauen, es in Züge verladen, zur Küste fahren und schliesslich nach China verkaufen kann. Für die Verhüttung vor Ort fehlt die Kohle, weshalb Australien das Erz verkauft und nicht Eisen oder Stahl.
Zwar gibt es Kohle zuhauf am anderen Ende des Kontinentes, doch dieses liegt 4000 Kilometer weit entfernt. Noch gibt es dort und im Südosten zwar einige Stahlwerke, doch diese vermögen kaum noch mit dem Weltmarktpreis, respektive den subventionierten chinesischen Stahlwerken mitzuhalten. So kommt es, dass die Australier Eisenerz und vielerlei Mineralien und Edelsteine mehr abbauen, aber das Meiste davon aber unverarbeitet weiterverkaufen. Auch der grösste Teil der Kohle geht mittlerweile nach China.
Überhaupt ist Westaustralien ist einer DER Rohstoffläden der Welt. Und darum von der Entwicklung der Rohstoffpreise abhängig, wie ansonsten wahrscheinlich nur noch Russland und einige Drittweltländer. Rohstoffe sind täglich Thema in den Zeitungen und im Fernsehen. Nur Kriminalität und Unfälle interessieren die Australier mehr. Drittes grosses Thema ist der Klimawandel, über dessen Realität und Auswirkungen auch die Australier uneins sind. So oder so: Ob heissester Tag oder Niederschlagsminimum, die meteorolgischen Rekorde Australiens sind fast alle wenige Jahre alt.
Die Abhängigkeit Westaustraliens von den aktuell tiefen Rohstoffpreisen zeigt sich auch an der hohen und weiter steigenden Arbeitslosigkeit, insbesondere in denjenigen Staaten, in denen die Minengesellschaften tätig sind. In der Whalebackgrube in Newman - der grössten Eisenerzmine der Welt - arbeiten heute deutlich weniger Männer und Frauen (erstaunlich: fast fifty-fifty), als noch vor wenigen Jahren. Insbesondere ältere Arbeitnehmerinnen ud Arbeitnehmer wurden entlassen, der Durchschnittslohn sank mit der Zahl der Angestellten deutlich.
So ist die auf Vollbeschäftigung ausgerichtete Infrastruktur in Newman momentan nicht ausgelastet. Überall ist Platz. Im Einkaufszentrum stehen Läden leer, im 50-Meter-Pool schwimmen ausser uns nur noch ein paar Kinder und zwei Frauen crawlen Längen. Auf dem Campingplatz sind nur einige wenige von über 100 Wohncontainern besetzt. Noch vor einigen Jahren, erzählt uns später eine Bekannte, habe man in Newman nur ganz schwer überhaupt eine Schlafgelegenheit gefunden.
Wo die Entwicklung hinführt, ist offensichtlich: Die „Roboter“ übernehmen das Steuer. In den Gruben werden in wenigen Jahren nur noch ganz wenige Menschen arbeiten. Schon heute steuert das Rechenzentrum im 1000 Kilometer entfernten Perth fast 20 der 53 gigantisch grossen Lastwagen, ab dem Jahr 2017 werden die bis zu 7 Kilometer langen Züge vom selben Ort aus an die Nordwest-Küste gefahren und die Beprobung des geförderten Erzes vor Ort und rund um die Uhr liegt schon heute fast vollständig in den Händen von Computern und CNC-Armen.
Im aktuellen Wahlkampf um die Sitze in Westaustraliens Parlament sind neben den Rohstoffpreisen und den Kohleemissionen darum auch die Roboter Thema. Die "Nationalen", die strikte gegen weitere Einwanderung nach Australien sind, wollen auch gegen Roboter vorgehen und diesen verbieten, Arbeitsplätze von Menschen zu übernehmen. Die Labourpartei ihrerseits will die Anzahl Arbeitsvisas für Ausländer deutlich reduzieren und stattdessen Australier motivieren, in Spitälern, Schulen und Hotels im Outback zu arbeiten. Die Liberalen ihrerseits werben vor allem damit, das Defizit im Staatshaushalt mit Kürzungen von diversen Posten zu reduzieren.
Nicht hämisch, aber doch mit ein wenig Genugtuung beobachten die Bürger der anderen australischen Staaten diese Enwicklung. Gerade noch galt Westaustralien als Boomregion, die sich darüber mockierte, mit ihrem Haushaltsüberschuss "den Rest" Australiens quer zu subventionieren. Das ist im Moment ebenso Vergangenheit, wie die Abwanderung von Arbeitskräften in den Westen des Kontinents. Im Gegenteil ziehen heute die Menschen wieder zurück in den Osten. Zumindest bis die Gold-, Bauxit- und Manganpreise wieder anziehen. Und das Loch im Wahlfischberg in Richtung Norden wächst.