Probecamping in Down Under
"Das hab ich mir anders vorgestellt!" schnaubt David zähneknirrschend und schiebt fröstelnd ein Holzscheitchen mehr ins Feuer. Vis á bis sitzt Lilja in ihrem Campingstuhl, warm eingehüllt in ihre wollige Unterwäsche und einen Faserpelz. Ilias hat sich ins Zelt zurückgezogen und mir selbst ist das Bier (150 lashes, in Anlehnung an die Strafe die der einstige Brauereibesitzer für den Diebstahl von 2 Fässern erhielt) fast zu kalt.
Die Vorgeschichte: Da wir uns momentan als Busch- und GartenarbeiterInnen bei der absolut liebenswürdigen Familie von Steven und Sarah mit den Kindern Kieran und Locklen verdingen, haben wir ein redliches freies Wochenende verdient. Bevor wir auf grössere Fahrt gehen, muss das Material getestet werden. Deshalb befinden wir uns auf unserem ersten Zeltausflug im westaustralischen Nationalpark Dwellingup. Dieser liegt ganz nah von unserem provisorischen Zuhause, "nur" eine Stunde entfernt. Australische Lektion Nr. 1: ganz nah hat hier eine andere Konotation als zu Hause. Zwei, drei Stunden Fahrt ist "just down the road". Kein Wunder, in dieser Zeit kommt man auch nicht mehr als zwei, drei Dörfer weiter.
Die Strecke ist ein guter Test um die Vorzüge unseres neuen 16jährigen Suzuki Pajeros, auch genannt 'das grüne Monster' zu erproben. Der Benzinverbrauch würde uns in der Schweiz in den Ruin treiben und alle meine Freunde würden mir die Freundschaft künden, sähen sie mich in diesem röhrenden Ungetüm mit 3.5 Liter Motor hoch oben vorbeibrausen. Hierher passt das Auto gut. Es fällt nicht mal auf. Geräumig und gemütlich rollt es über die ungeteerten Strassen des Parks.
Links und rechts flitzen hohe Eukalyptusbäume, kleiner buschige Kugeln, die wie Pilzköpfe aussehen, wilde Frühlingsblumen auf roter Erde vorbei, der Himmel spannt sich in einem leuchtenden Blau darüber. Der Fluss mit seinen Nebenflüssen mäandriert mal auf der einen, mal auf der anderen Seite vor sich hin.
Das neue grüne, geräumige Zelt stellen wir im Camp Nanga Mills auf, alle anderen Plätze sind fürs Wochenende ausgebucht. Die Australier, das ist Lektion Nr. 2 sind leidenschaftliche Camper und sehr hart im nehmen. Obwohl sonnig, wird die Luft im Verlauf des nahenden Abends rasch kühler. Nicht dass das einer unserer Nachbarn kümmern würde. T-Shirt und Flippflopps werden nicht eingetauscht. Wir hingegen holen Socken, Pullover, zweiter Pullover und warme Hosen hervor.
Während ich in der Dämmerung Knoblauch und Zwiebeln für eine feine Tomatensauce anbrate, plötzlich ein seltsames Geräusch: eine Gruppe von Känguruhs hoppst heran, um das zarte Gras in den stillen Winkeln des Campgrounds zu ergattern. Sie nähern sich furchtlos bis etwa 2 Meter und schauen mir aus ihren schwarzen Knopfaugen beim Kochen zu. Was für ein herziger Besuch!
In der Nacht wechselt das Wetter. Immer wieder prasseln Regentropfen aufs Zeltdach. Der Wind rüttelt, ich grabe mich tief in den Schlafsack und kuscle nahe an David, um nicht zu frieren. Immer wieder erwachen wir. Früh setzt David einen starken Kaffee auf, der mich wärmt, trotz der grauen Wolken die à Tempo vorbeijagen. Zwischendurch immer wieder ein paar Sonnenstrahlen, um die Moral nicht zu zerstören.
Ebenfalls früh machen wir uns auf zu einem Bushwalk, genau das richtige um die Kälte aus den Knochen zu treiben.
Wir landen in einer seltsamen Landschaft. Gestern wurde der Busch hier nämlich kontrolliert abgebrannt. Das sollte man alle drei, vier Jahre tun, um das trockene Unterholz gezielt zu verbrennen und den jungen Pflanzen wieder Raum zu geben.
Noch rauchen die Bäume vor sich hin, die Büsche sind verbrannt und die lustigen Buschbäume, die aussehen wie Strubelköpfe auf Stumpen, ragen jetzt wie abgebrannte Finger in die Höhe.
Den Eukalyptusbäumen hat es nicht viel ausgemacht, den das Feuer brannte nur etwa 2, 3 Meter hoch. Zwischendurch knackst plötzlich ein stumpfer Stamm und kracht um. Manchmal glüht irgendwo noch ein Baumstumpf vor sich hin.
Am Fluss kommen uns zahlreiche Kanus und Bötchen entgegen, Einige mutigen Seelen nehmen gar ein Schwimmchen. Wir hingegen gehen Brennholz kaufen für die zweite Nacht.
In der Dämmerung hört unter uns eine Vätergruppe Metallmusik, links spielt ein bärtiger Aussie sentimental auf seinem Han (Klingende Trommel). Die Känguruhs kommen wieder, zahlreicher und wollen unseren Abfall stibitzen:-) wir braten am Lagerfeuer ein paar Bratwürste (Lektion Nr. 3, ein Barbie am Lagerfeuer muss sein, und ohne Bier schmeckt es nicht). Langsam gehen die Sterne auf, uns noch unbekannt. Es ist kalt, das haben wir uns anders vorgestellt. Aber es ist junger, blühender Frühling und die Wärme ist auf dem Weg.