Im Land der Skipetaren
Montenegro bleibt auf unserer Reise eine Episode ohne viel Aktion. Albanien hingegen bot uns alles, vom Badeplausch im grössten See des Balkans über Wanderungen in nahezu unberührten Bergtälern und -wäldern bis hin zu einer Gewitternacht am Ohridsee (Bericht dazu folgt).
Nicht allzu schweren Herzens brachen wir unsere Zelte in Montenegro ab. Das kleine Örtchen Utjeha-Busat, indem wir uns die letzten drei Tage ausgeruht hatten, war zwar ok...
Die chaotische Bauweise mit den unzähligen Bauruinen, die vielen russischen Touristen und die achtlose Vermüllung fast jedes Zentimeters Natur liessen wir aber gerne hinter uns.
Auf dem kleinen Nebensträsschen unterwegs zur albanischen Grenze sahen wir dann doch noch zwei griechische Landschildkröten über den Asphalt krabbeln. Fast wie in Grosis Garten...
Vor dem Grenzübergang Murican bildete sich eine lange Autoschlange, die sich nur langsam zum Zollhäuschen bewegte. Wieder eine Gelegenheit, um Geduld zu üben. Wir beobachten die braune Kuh, die ungerührt über die Strasse zum nächsten grünen Leckerbissen streift, spielen heiteres Tierraten und schwitzen. Da, das Auto vor uns rollt wieder eine Eigenlänge vorwärts. David will den Silberpfeil anwerfen, aber nichts passiert. Ausser einem heiseren Röcheln gibt der Motor kein Geräusch von sich. Auch der zweite, dritte und vierte Versuch endet nicht besser.
Kummervoll schieben wir das Auto auf den Nebenplatz, wo sofort neugierige Zuschauer dazu stossen. Schnell erfahren wir: Der nächste Mechaniker befindet sich wieder vier bis fünf Kilometer zurück in Montenegro. Ein letztes Mal versuchen wir's mit anschieben und oh Wunder, ein zufriedenes Brummen tönt unter der Haube. Ohne den Motor nochmals abzustellen, überqueren wir den Zoll und fahren in die Stadt Shkodra. Dort kann der albanische Automechaniker nichts Ungewöhnliches feststellen. So nehmen wir's als kleines Aufmerksamkeitsdefizit von Silberpfeil, der uns zeigen wollte, wie schwer entbehrlich ein in die Jahre gekommener Toyota Corolla sein kann.
In Shkodra sind wir sofort in einer chaotischeren, lauteren und fremderen Welt. Die für zwei Spuren geplante Strasse wird von den verschiedensten Gefährten benutzt: Eselskarren, dreirädrige Motorräder, Mercedes in neu, alt und Steinzeit, Velos mit oder ohne Anhänger, Minibusse wuseln aneinander vorbei. Alte Männer sitzen im Kaffee oder einer der unzähligen Sportwettenbars, der Markt ist offen und gut besucht.
Im Zentrum der Stadt gibt es eine gigantische Moschee, aber und das wird sich uns während der ganzen Reisezeit in Albanien bestätigen: Sonst gibt es eigentlich keine Anzeichen für besondere Religiosität der Albaner. Wir sehen äusserst selten Frauen mit Kopftücher und meistens sind sie dann Sonnenschutz und nicht Tracht. Die kleinen Läden sind entweder spezialisiert auf EIN Produkt, zum Beispiel Putzeimer, Lampen, Hochzeitskleider, Gumistiefel oder Pantoffeln. Die Minimärkte bieten auf kleinstem Raum ALLES an: Barbiepuppen, Kreuzworträtsel, Milch, Gemüse und Haarfärbemittel.
Das die Menschen weniger Geld haben, merkt man an den einfacheren Outfits. Bei den jungen Männern sind ausgebeulte Trainerhosen Standard. Die älteren Männern sind meist sorgfältig in dunkle Anzüge (trotz der Hitze!) gekleidet –selbst der alte Mann in den Bergen, der seine Geissen auf die Weide treibt (Fahrt nach Albanien!).
Der Camping Platz am Shkodra Lake hat nichts mit Albanien zu tun. Völlig verblüfft landen wir nach 500 Metern Schotterstrasse auf dem mit Abstand besten, schönsten und saubersten Camping der ganzen Reise. Sorgfältig gepflanzte Palmen säumen das Ufer, ein langer Holzsteg führt in den See, in de Restaurant gibt es wunderbare Speisen. WIr geniessen die Annehmlichkeiten für eine Nacht. Dann geht es in die Berge: nach Thet.
Ausflug in die Albanischen Alpen
Thet ist ein kleines Bergdorf ganz im Norden Albaniens. Der Fernwanderweg Peaks of the Balkan, der durch das Dreiländereck Kosovo-Montenegro-Albanien führt, macht hier Station. Die umliegenden Berggipfel sind über 2000 Meter hoch. Die Bilder sahen schön aus, deshalb buchten wir drei Nächte in der Villa Gejaj, um die Bergen zu erkunden.
Wir wussten, dass die letzten 12 Kilometer vom Pass hinunter über eine Schotterstrasse führen. Ein Fall für Silberpfeil oder nicht? Wir beschlossen, die Sache vom Pass her näher zu betrachten. Beim an die Besichtigung anschliessenden Beratungskaffee im Passrestaurant waren wir uns (ausnahmsweise ;-)) einig. Nie im Leben! Vielleicht kämen wir sogar runter. Aber nicht mehr hoch. Also besprachen wir mit dem Wirt, dass wir Auto und einen Teil unserer Habe einige Tage bei ihm lagern und beschlossen, die 4 bis 5 Stunden runterzuwandern.
Ein schmaler, aber gut beschrifteter Wanderweg führte gradewegs über einen steilen Grat hinunter ins Tal. Manchmal schleichend, manchmal direkt und manchmal angsteinflössend steil. Nach 15 Minuten tröpfelte, tropfte und strömte ein Regenguss über unsere erhitzten Köpfe.
Aber schön wars, was wir sahen: Ein grüner, wilder Wald säumte die Bergflanken bis zu einer bestimmten Höhe, daraus ragten einer ungleichmässigen Zahnreihe gleichend die grauen Gipfel mit den weissen Schneeflecken auf. Aus dem klaren Bergbach, der mal links, mal rechts neben uns herhüpfte, hätten wir sofort getrunken.
An einer besonders schönen Flussstelle, an der es türkisse Gesteinsmühlen gab, plötzlich ein kleines selbstgezimmertes Beizchen. Wie sehr genossen wir dort den kühlen Drink in herzlicher Gesellschaft. Danach ging es zwei Stunden wieder das Nebental hinauf, fast hätten wirs nicht geschafft. Aber im letzten Abendsonnenglanz erreichten wir das massive Steinhaus der Villa Gejaj.
Die nächsten drei Tage verbrachten wir in einer anderen Welt: Im Dorf, ungestört von Autos, streiften Säuli, Kühe, Hühner, Geissen und Kühe umher.
Wir wanderten an blauen Lagunen, zu feenhaften Wasserfällen, an steilen Felswände und immer wieder tauchte unverhofft ein kleines Beizchen auf, das meistens aus nicht viel mehr als vier Pfosten und einem Dach bestand aber immer mit der schönsten Aussicht.
In der Villa würden wir super verpflegt. Die meisten Produkte stammten aus eigenem Anbau. Bienenkisten, Gewächshäuser, ein blühender Garten und eine kleine Auswahl Tiere lieferten Gemüse, Käse, Fleisch und Brot.
Als uns allerdings eine Geissenlunge vorgesetzt wurde, müssten wir verweichlichten Städter passen. Etwas traurig wanderten wir schliesslich wieder zurück –diesmal der Strasse entlang, die nicht so steil dafür gewunden zum Pass zurück führte.
Wir würden Thet sofort wieder einen Besuch abstatten.