Via Sarajevo nach Tjentište
Mostar ist einen Besuch wert und Sarajevo ebenfalls. Zwanzig Jahre nach Ende der Kriege um die Auflösung von Jugoslavien leben beide Städte wieder, die Narben aber sind sichtbar.
Über die Karstquelle Blagaj (Quelle) und das ebenfalls nahe Mostar liegende Dorf Međugorje – wo Millionen gegen den Willen der katholischen Kirche hinpilgern, weil Kindern dort die Maria erschienen ist – hinaus, bietet Bosnien nicht viele Sehenswürdigkeiten, jedenfalls nicht für verwöhnte Westeuropäer.
Die Dörfer bestehen aus weit verstreut gelegenen Häusern, die scheinbar ohne Konzept in die Landschaft gestellt wurden und mehr oder weniger fertig gebaut sind. Der Verputz fehlt – oder die Wände im zweiten Stock – oder beides. Dazwischen stehen die Ruinen der während dem Bosnienkrieg in den 90er-Jahren verlassenen Bauten sowie Bauruinen, die noch während ihrer Entstehung aufgegeben wurden. Vielen bosnischen Gemeinden fehlt das Geld für einladend gestaltete Dorfplätze oder Fusswege oder Parks.
Ähnlich sieht es in Mostar und Sarajevo aus, wenn man die Altstadt verlässt. Zwar sind die Bauten hier höher, doch viel für deren Erhalt wurde in den letzen Jahrzehnten nicht getan. Einige wenige Häuser erhielten einen neuen Anstrich, die Substanz aber ist meist marode. An der Fassade lässt sich allerdings nichts ablesen über die Wohnungen dahinter. Unsere Unterkunft in Mostar wirkt wie neu, die Wohnung in Sarajevo ist sehr gut erhalten und erneuert. In den Aussenquartieren der Städte haben sich ausserdem kleine traditionelle Steinhäuser gehalten, daneben stehe bunkergleiche Einfamilienhäuser und Villen, hinter Mauern und von Kameras überwacht.
Auf dem Land, aber auch in der Stadt, legen die Menschen grosse Gärten an, ja grosse Felder mit Gemüse, Früchten und Obstbäumen, die sorgfältig gepflegt und gegossen werden. Bei einem durchschnittlichen Monatslohn von 400 bis 500 Franken und einer hohen Arbeitslosigkeitsquote ist man froh um die Erträge des eigenen Landes.
Die Strasse von Mostar nach Sarajevo überquert eine Bergkette, mit vielen kleinen Bauerndörfern, Heumieten und Ziegen. Wir fühlen uns ans Glarner- und Bündnerland erinnert. Nur ragen in den Dörfern statt Kirchtürmen meist spitze Minarette in den Himmel.
Sarajevo wurde während des Bosnienkrieges jahrelang belagert, in Sarajevo geschah das Attentat, das den 1. Weltkrieg auslöste. Inmitten eines riesigen Talkessels gelegen, bilden heute moderne Wolkenkratzer das Tor zur Stadt. Rechts des Flusses Miljacka befindet sich die Altstadt, mit unzähligen kleinen Läden entlang enger Gassen. Im muslimisch geprägten Teil gibt es kein Bier, dafür feine Kebabs, ein paar Ecken weiter sind die Bosniaken liberaler, da gibt es beides.
Gegen Abend spazieren wir aufs "Bäumli" Sarajevos. Neben uns schiessen herausgeputzte Teenie-Mädchen in Tüllkleidern Fotos für Ihre Modelkarriere. Verliebte, Geniesser und wenige Touristen sitzen gemütlich auf der umfassenden Mauer.
Wir zählen die Türmchen der Minarette: 27. Die Kirchen sind in der Minderheit, dafür grösser. Von oben herab wirkt das Nebeneinander idyllisch. Doch von Nahem betrachtet ist das Zusammenleben oft schwierig und die verschiedenen Volksgruppen Bosnien-Herzegowinas halten bis heute Abstand.
Auf der Rückfahrt zum Meer machen wir im Narionalpark Sutjetska halt. Im Dorf Tjentište gibt es ein Infozentrum und Unterkünfte. Auch ein gewaltiges Denkmal zu Ehren der hier im zweiten Weltkrieg gefallenen Partisanen steht monumental im Tal. Allerdings ist die Hälfte der Hotels zerfallen. Wir erkundigen uns im Hotel Mladnost nach einem Bett und sind dort zusammen mit zwei bosnischen Schulklassen die einzigen Gäste. Sehr gemütlich ist es nicht, das Hotel erinnert an eine heruntergekommene, muffige Militärkaserne.
Wir wandern durch einen der letzten Urwälder Europas, mit riesigen Buchen und Eichen. Die Wanderung führt durch die Wildnis. Ein Pfad ist kaum auszumachen aber mit rot-weissen Punkten gut bezeichnet. Wir durchqueren liljahohe Wiesen mit unzähligen Zecken und Blumen, klettern über Baumstämme und staunen über die zahlreichen gewaltigen grauen Nacktschnecken mit gelber Linie auf dem Rücken. Eigentlich wollten wir am nächsten Tag zu einem Bergsee aufsteigen, aber Lilja ist krank und das Wetter schlecht. Deshalb kehren wir zur Küste zurück.