Unterwegs im ehemaligen Jugoslawien
Seid ein paar Tagen ziehen wir mit dem Silberpfeil durch Bosnien-Herzegowina. Minarette und Traktoren in den Bergdörfern, verschleierte Frauen und 70er-Architektur in den Städten.
Im Haus von Jagoda in Sibenik blieben wir für einige Tage. Die Küste hier wurde geformt während der letzten Eiszeit, als der Meeresspiegel viel tiefer lag und die Flüsse schroffe Täler ins Gestein frassen. Aus den karstigen Bergen wurden mit der Rückkehr des Meeres Inseln, die wie die Tupfen der Dalmatinerhunde vor dem dalmatischen Festland verstreut liegen ;-).
Wenn ein sich ein Hafen perfekt als Hafen eignet, dann der von Sibenik. Die eiszeitlichen Flüsse hinterliessen ein grosses Becken, von dem ein nur schmaler Arm ins Meer führt, geschützt vor der osmanischen Flotte durch ein grosses Fort am Ende. Die Altstadt von Sibenik gefällt. Die alten Häuser und Palazzos sind gut erhalten, am Hafen machen die Schiffbauer - und wir auch - bei einem Bier Pause.
Für ein Bad im Meer bläst der Wind noch zu stark, doch für Wanderungen im Nationalpark (Nationalpark Krka), entlang der Küste - die EU hat da einen wirklich schönen Weg finanziert, inklusive Radständer - und in der Stadt, sind Wetter und Temperaturen perfekt. Ausserdem ist da ja noch Jagodas Swimmingpool... für die Kinder ist er warm genug und für die Schwalben ein prima Süsswasserlieferant.
Wir reisen trotzdem weiter, mit Ziel Mostar. Das Wetter ist wieder durchzogen, hie und da regnet es ein wenig. Auf dem Autocamp Sirena von Milan und Familie machen wir Halt. Eine gute Wahl. Milans Fischbuffet ist exquisit, mit den Gästen unterhalten wir uns über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Unvergesslich machen den Aufenthalt auf der Klippe bei Lokva Rogoznica zwei Dinge: Zuerst die zwei Musiker, die Milan eingeladen hat und die mit kroatischen und internationalen Hits für prima Stimmung sorgen. Und dann ein Gewitter, das unser Zelt schüttelt, wie nichts zuvor. Die kurzen Heringe reisst der Wind aus der Erde, die langen halten zwar, aber nun droht die Plane zu reissen. Als das Unwetter - es ist nicht die Bora - noch eine Stufe höher schaltet, verziehen wir uns in die Stube des Camps, die uns Milan schon am Abend für den Notfall offeriert hat.
Der Wind trocknet am Morgen auch das Zelt schnell. Doch die Aussichten auf weiteren Regen vor dem angekündigten Sonnenschein lassen uns aufbrechen. Die Küste ist zugebaut mit Einfamilien- oder Mehrfamilien-Ferienhäusern, die mehr oder weniger fertig gebaut sind. Ein wenig Raumplanung würde Sinn machen, denken wir, und ein paar gemeinsame Parks oder Uferwege auch.
Wir entscheiden uns, nach Bosnien-Herzegowina abzuzweigen. Dem Fluss Neretva nach führt die Strasse in Richtung Norden. Unter dem von Wolken bedecktem Himmel wirkt Mostar trostlos. Die Stadt ist besser in Stand als noch vor zehn Jahren, als Karin schon einmal hier war, doch nach wie vor sind viele Häuser verlassen und zerfallen weiter. Zu Fuss unterwegs erinnern uns die vielen Friedhöfe und neuen Moscheen an den Bosnienkrieg in den 90er-Jahren und die Gegensätze und die nach wie vor ungelösten Konflikte in dem Land.
Die wieder aufgebaute Brücke von Mostar aber gefällt uns auch in Grau und noch mehr am anderen Morgen, als das Thermometer auf gegen 30 Grad steigt. Unser Gastgeber Sanel - seine Unterkunft findet man unter Mostarstory, sie ist zu empfehlen - erzählt uns vom letzten Sommer, als die Temperaturen 50 Grad "am Schatten!" erreichten. Sanel und seine Frau Adnan sprechen beide gut Deutsch, während dem Krieg wuchsen sie in Deutschland auf. Auch andernorts in Bosnien werden wir unvermittelt auf Deutsch oder Schweizerdeutsch angesprochen, so von einer Frau, die in Oberwinterthur aufgewachsen ist und lange in Kloten lebte. Oder vom Glaceverkäufer in Sarajewo: "Ihr könnt das Glace gerne auch auf Schweizerdeutsch bestellen."